Wasserstrasse bleibt!

Es war einmal im St. Johann…
Aufwertung und Verdrängung

Eine Häuserzeile wird abgerissen, eine Strasse wird privatisiert, das Nachbarhaus wird entmietet, bezahlbare Wohnungen sind kaum mehr zu finden, und immer mehr Bekannte, die hier lebten, wohnen und bewegen sich inzwischen woanders. Was auf den ersten Blick wie eine zufällige Anhäufung von unangenehmen Ereignissen aussieht, hängt beim genaueren Hinsehen aufs Engste miteinander zusammen. All dies ist Teil einer von der Stadtplanung gewollten und koordinierten Aufwertung. Einer Aufwertung, die fast vollständig an den direkt Betroffenen vorbei durchgesetzt wird.
Der Plan der Stadt, 5000 neue Wohnungen für die sogenannten „guten Steuerzahler“ entstehen zu lassen, ist das Eine. Dass diese Neubauten hier fast ausschliesslich auf den Trümmern von günstigem Wohn- und Gewerberaum entstehen, das Andere. Ein Blick nach Zürich lässt erahnen, in welche Richtung sich auch Basel entwickelt: in der Stadt zu wohnen wird mehr und mehr zum Privileg, die letzten Sümpfe einer gewachsenen – und nicht von oben verordneten – sozialen Durchmischung werden trockengelegt.

Die Häuser an der Wasserstrasse

An der Wasserstrasse 21-39 steht eine vollständig erhaltene Häuserzeile, gebaut anfangs des letzten Jahrhunderts, die sich im Besitz der Immobilien Basel-Stadt befindet. Nun sollen auch sie der Aufwertung zum Opfer fallen. Die Stadt plant diese ab Mitte 2012 abzureissen. 52 Wohnungen, die günstigen Wohnraum bieten, würden auf einen Schlag verschwinden. Dagegen regt sich Widerstand: Bewohner_innen organisieren sich, um den Abriss zu verhindern und die Häuser genossenschaftlich zu übernehmen.

Der Konflikt um die Wasserstrasse könnte zu einer allgemeineren Aus- einandersetzung über die Quartierentwicklung beitragen und, im besten Fall, Betroffeneder Aufwertung zusammenbringen, um gemeinsam neue Wege zu gehen.

Eine andere Stadt

Architektur und Stadtplanung sind oft unterschätzte, aber umso wirkungsvollere Mittel zur Durchsetzung von Machtverhältnissen. Verdrängung und gezielte Veränderung der Bevölkerungsstruktur sind dabei nur der augenfälligste Aspekt. Aber auch die Stimmung, die über einer Strasse liegt, wird aufs heftigste von der Planung beeinflusst. Wo die Aufwertungsakteur_innen ihren Machtanspruch in Stahl, Glas und Beton verewigen, wirken die Menschen ganz klein daneben. Eine von Architekt_innen und sogenannten Stadtentwickler_innen durchgeplante Stadt verengt den Handlungsspielraum der direkt Betroffenen und macht sie letztendlich zu Fremden in ihrem eigenen Umfeld, zu Statisten in einem von oben inszenierten Drehbuch.
Gerade weil die gegenwärtigen Macht- und Besitzverhältnisse eine selbstbestimmte und kreative Aneignung der Stadt als realitätsfremde Spinnerei erscheinen lassen, ist es wichtig, ab und zu Funken einer anderen Wirklichkeit aufblitzen zu lassen: der Verwertungsmaschinerie von Stadtverwaltung und Investor_innen unsere Vorstellung von Stadt entgegenstellen. Eine Stadt, die für alle, auch die weniger gut betuchten, Platz bietet. Eine Stadt, die von Hunderten von Nachbarschaftsnetzen kleinräumig gestaltet wird. Eine Stadt, die Unerwartetes ermöglicht, die tausend verschiedene Stimmungen enthält, die uns unternehmungslustig macht. Wir als Bewohner_innen können die Bestimmtheit und Sterilität durchbrechen, durch Zweckentfremdung, Umnutzung, Umgestaltung der bereits bestehenden städtischen Landschaft neues Leben einhauchen. Auf dem Weg dorthin gibt es keinen Masterplan, kein einheitliches Vorgehen. Die Wiederaneignung der Stadt ist ein unkontrollierter Prozess der Vielheit.

Kein Abriss an der Wasserstrasse 21-39!

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